Innerlich war ich erstarrt. Die Arbeit hat für mich eine ausserordentlich grosse Bedeutung. Sie gibt Sinn und Bezug, definiert deine Person und gibt dir Selbstwertgefühl. Mit der Kündigung ist es so, als würde deine ganze Geschichte abgeschnitten. War denn alles schlecht, was du getan hast? Ohne Arbeit hast du keine Anknüpfungspunkte an die Welt mehr, dir wird die Daseinsberechtigung weggenommen.
Ich war als Ingenieurin und Managerin im Bereich Wasserkraft tätig, bei einem global tätigen Anlagenbauer, direkt der Geschäftsleitung unterstellt. Ich erarbeitete das Innovationsmanagement, entwickelte eine Road-Map für die Digitalisierung, leitete eine grosse Produktentwicklung. Es war sehr spannend und ich glaube, ich war auch gut darin. Dann wurde das Technologiemanagement umstrukturiert und mir wurde ohne Vorwarnung gekündigt. Ich war 24 Jahre dort gewesen.
Dann stand ich also da, ohne Struktur. Ich habe gemerkt, dass ich sehr auf mich aufpassen muss. Ich habe den Kontakt zu Freundinnen und Freunden gepflegt, geschaut, dass ich eine Tagesstruktur habe, viel Sport gemacht, in der Wohnung handwerklich gearbeitet und einen Bildhauerkurs gemacht.
Mit einem Coach bin ich jetzt daran, meine Arbeits-Geschichte wieder zu finden. Meine Arbeit war auch ein Korsett. Ich habe immer wahnsinnig gut funktioniert und voll gearbeitet, auch als die Kinder noch klein waren. Vermeintlich alles unter Kontrolle zu haben, ist tatsächlich wie ein Gefängnis. Es war für mich oft nicht mehr unterscheidbar, ob ich selbst etwas wünsche oder die Kinder oder die Vorgesetzten. Es ging nur darum zu funktionieren. Unterdessen habe ich einige andere Leute kennengelernt, denen gekündigt wurde. Erst wenn du selbst in der Situation bist, erfährst du, wie viele es davon gibt.
Ich will wieder eine richtige Arbeit, ich mach das einfach zu gerne. Meine Daseinsberechtigung aber sollte nicht mehr aus dem Job kommen. Ich empfinde nun viel stärker, dass ich auch etwas wert bin, wenn ich gerade keinen beruflichen Erfolg habe.
Meinen Energie möchte ich in eine Arbeit mit Sinn investieren. Es ist eine Chance, konsequent das zu suchen, was ich für richtig halte. Nachhaltigkeit war mir immer wichtig. Ich war in den Siebzigern jung, mit Ölkrise, Club of Rome und so weiter. Jetzt haben wir das grosse Thema Klimawandel und Dekarbonisierung. Ich würde gerne etwas dazu beitragen.
Das ist doch eine Supersache, dass ich in meinem Alter meinen beruflichen Schwerpunkt nochmals adjustieren kann. Ich wünsche niemandem, so wie ich den Job zu verlieren. Aber mich macht's gefühlt zehn Jahre jünger.
