Unsere Familie ist gross, drei Töchter, ich und mein Mann. Mittlerweile sind alle im Alter, wo sie ihr eigenes Leben haben, einen eigenen Fahrplan und unterschiedliche Bedürfnisse. Irgendwann wurde es schwierig, alles unter einen Hut zu bringen. Zusammen Mittagessen oder Abendessen wie zu Primarschulzeiten ging plötzlich nicht mehr. Die eine Tochter geht ins Basketballtraining, die andere kommt aus dem Stall zurück und so weiter.
Das unterschiedliche Timing brachte sehr viel Unfrieden. Wie koche ich, dass das Essen nicht kalt wird, muss ich in zwei Etappen kochen…? Ihr kochst du immer, mir nicht! Oder sie assen Brötchen auf dem Heimweg, was dann die Mutter hässig macht, die gekocht hat… Die Dynamik ist einfach anders, wenn der Alltag nicht mehr synchron ist.
Irgendwie hat uns das gestunken und wir haben gesagt: Wir brauchen einen neuen Plan. Immer am Sonntagabend nach dem Znacht findet bei uns eine Familienkonferenz statt. Wir besprachen: Wie wollen wir kochen?
Die Lösung sieht folgendermassen aus: Am Montag essen wir Resten vom Sonntag. Am Dienstag geht die erste Tochter in den Stall, die zweite ins Klettern und die dritte ins Basketball und ich arbeite bis spät, also schaut jede für sich selbst. Am Mittwoch koche ich, weil ich immer zuhause bin. Donnerstag ist wie Dienstag Selbstbedienung. Am Freitag kocht jemand, aber wir lassen offen wer, und Samstag um 12 Uhr essen wir zusammen Zmittag.
Die älteste Tochter isst am liebsten Spaghetti füdliblutt, die mittlere vegetarisch oder vegan, die jüngste währschaft. Mein Mann mag Fleisch. Ich bin Allesfresser. Früher haben alle rumgemüffelt, jetzt hat's viel Entspannung gegeben. Wir essen weniger Fleisch, aber auch mein Mann findet’s gut. Wenn Selbstbedienung ist, kann er sein Fleisch machen und wir Linseneintopf. Wir konnten Verantwortung an die einzelnen Familienmitglieder übergeben, auch meine jüngste Tochter hat kochen gelernt. Wir haben weniger Resten als früher, als ich für fünf kochte und nur zwei hatten Hunger. Davon profitierte auch das Budget. Wir geben zwar gleich viel aus, aber können viel mehr Bio und aus der Region kaufen.
Die Essensgeschichte ist auf gutem Weg. Es wird abwechslungsreicher gekocht, die Eltern sind entlastet und die Kinder und jungen Erwachsenen werden selbständiger. Unsere Familie entwickelt sich mehr zu einem WG-ähnlichen Zusammenleben. Aber wir haben jetzt offiziell abgemacht, dass wir weiterhin ab und zu zusammen essen wollen. So müssen wir nicht mehr täglich dem Familienleben nachtrauern, denn es kommt ja bald wieder ein gemeinsames Abendessen.
Beim Erzählen merke ich, ich bin saustolz auf unsere Familie. Zu sehen, wie veränderungsbereit wir sind, wie die Kinder und wir an Kompetenzen gewinnen, wie wir argumentieren, reflektieren und uns fragen: Wie wollen wir es gerne haben?