#192

Ich hatte mich immer dagegen gesträubt, mich mit dem Tod auseinanderzusetzen. Er war mit Ängsten und Hemmungen verbunden, vieles blieb im Dunkeln. Der Wendepunkt war der Tod meines Grosis. Mein Abschied von ihr kam mit vielen Tränen, aber auch viel Lachen und gemeinsamem Schwelgen in Erinnerungen. Ihre Abdankung war ein farbiges Fest, für mich eine unerwartete und berührende Erfahrung.

Nach ihrem Tod fragte ich mich: Was passiert jetzt eigentlich mit ihrem Körper? Ich fand heraus, dass in der Schweiz nur Kremation und Erdbestattung möglich sind. Beides sind umweltbelastende Praktiken. Ich studierte Umweltnaturwissenschaften, befasste mich tagtäglich mit Kreisläufen, Ökobilanzen und dem Umgang mit den natürlichen Ressourcen. Gibt es denn keine ökologische Bestattungsalternative? Meine Recherche führte mich zu Recompose, dem Pionierunternehmen der Kompostbestattung. Bei der Terramation, wie die Kompostbestattung auch genannt wird, werden Verstorbene in einer Terramationsanlage durch körpereigene Mikroorganismen in fruchtbare Erde umgewandelt. Der gesamte Prozess dauert rund zwei Monate, bis die Erde ihren Weg zurück in den Kreislauf findet. Aus mir könnte dereinst Erde werden, aus der Blumen, Gräser, Sträucher und Bäume spriessen? Ich war fasziniert!

Zu dieser Zeit arbeitete ich auf dem Permakultur Auenhof mit. Mit den Händen in der Erde und der Sonne im Gesicht visionierten wir zwischen den Gemüsebeeten diese neue Bestattungsform. Für Angie, Nuria und mich war schnell klar: So wollen wir auch einmal bestattet werden. Das Problem: Die Kompostbestattung ist in der Schweiz gar nicht legal. Ohne lange zu fackeln, wurden wir aktiv und gründeten den Verein «Werde Erde». Wir wollen die Kompostbestattung in der Schweiz einführen und den Tod sicht- und diskutierbar machen. Nuria ist unsere Expertin für die rechtlichen Fragen. Angie begann die Ausbildung zur Sterbe- und Trauerbegleitung. Mit Olivia sind wir heute zu viert im Vorstand.

Vielen Menschen fällt es schwer, mit dem Tod umzugehen. Wir möchten, dass wir als Gesellschaft eine Sprache finden, um über Sterben und Trauer sprechen zu können. Gerade die sozialen Aspekte der Kompostbestattung liegen uns sehr am Herzen. Durch die rund zweimonatige Dauer der Terramation öffnet sich ein neues Fenster für den Abschied. Neben den administrativen und organisatorischen Aufgaben nach einem Todesfall gibt es dadurch Raum für Emotionen, Rituale und den gemeinsamen sowie individuellen Abschied.

Wo die Erde überall beigesetzt werden kann, ist im Moment noch offen. Ob auf dem Friedhof oder zu Hause im Garten – durch die Terramation finden unsere sterblichen Körper ihren Weg zurück in den Kreislauf, in die Natur.

Vier junge Frauen sitzen nebeneinander.