#128

Es gefällt mir schon, mich einen Tag lang so richtig in die Zahlen zu vergraben und am Schluss geht die Rechnung auf.

Seit sieben Jahren bin ich selbständige Treuhänderin. Zu mir kommen viele, die ein Unternehmen gründen wollen. Mich interessieren ihre Motive, ob es darum geht, aus einem Zahnrädli-Job auszusteigen oder darum, sich persönlich und beruflich weiterzuentwickeln. Viele sagen: Wenn ich es jetzt nicht mache, kann ich nicht mehr in den Spiegel schauen oder mache mir Vorwürfe auf dem Sterbebett. Bei Frauen ist es auch immer wieder diese gläserne Decke, wenn sie in ihrer Firma nicht mehr weiterkommen.

Die meisten, die zu mir kommen, wollen etwas Positives für die Gesellschaft beitragen. Wenn es ihnen gelingt, ist es auch ein bisschen mein Beitrag. Jene, die möglichst schnell ihre Millionen scheffeln wollen, kommen nicht zu mir. Einmal kam einer, der hat gefragt, ob ich auch so Offshore-Sachen mache. Ich sagte nein und weg war er, das fand ich lustig. Eine andere wollte nur Zahn-Bleaching anbieten, da knirschte es bei mir innerlich so fest, das gäbe nie eine gute Zusammenarbeit.

Gründer*innen verzichten auf Sicherheit und oft auch Einkommen. Ich versuche ihnen einen realistischen Spiegel vorzuhalten. Es braucht eben mehr als eine Idee und viel Enthusiasmus. Ich kann fast nicht anders, als auch eine Einschätzung über die Erfolgschancen zu geben. Das ist ein Balanceakt, sie auf die Risiken aufmerksam zu machen, ohne den Traum zu zerstören. Aber für beide Seiten ist es nicht lustig, wenn man in eine Abwärtsspirale kommt und ich habe es eigentlich kommen sehen. Aber ebenso ist es für beide Seiten eine Riesenfreude, wenn es zum Fliegen kommt.

Besonders zufrieden bin ich, wenn ich mit Kund*innen Strukturen bauen kann, die geschmeidig sind und stimmig. Mir ist wichtig, dass sie einen Jahresabschluss ohne Angst anschauen und wirklich verstehen. Sie bekommen dadurch ein gutes Gefühl für den Zustand ihres Unternehmens und behalten die Verantwortung in den eigenen Händen. Sie werden selbstbewusst und können entschlossen auftreten.

Die Branche ist total im Umbruch. In der alten Welt hat man mit Vernebelung gearbeitet, hat gesagt, das sei alles viel zu kompliziert für Laien, unmöglich, das selber zu verstehen, geschweige denn selber einen Beitrag zu leisten. Ich finde, das ist nicht mehr zeitgemäss, damit kannst du heute einfach nicht mehr kommen. Ich habe keine Angst, dass ich dadurch weniger Einkommen habe.