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Lachende Frau in gelbem Mantel umarmt Baum.

Dinge, zu denen du eine Beziehung hast, die pflegst du, für die fühlst du dich verantwortlich.

Material-Archiv hat unzählige Muster von Materialien. Du nimmst ein Stück Holz aus der Schublade, spürst die Beschaffenheit der Oberfläche, riechst daran, hörst, wie es tönt, wenn du darauf klopfst. So fühlt sich also Eichenholz an. Jedes Muster ist mit unserer Datenbank materialarchiv.ch verknüpft, dort erfährst du alles darüber – Herstellung, Verwendung, Wiederverwendung und Entsorgung. Du lernst zum Beispiel, dass man mit Zapfenverbindungen aus Eiche ein Haus ganz ohne Metall bauen kann. Hätte ich das mal vor 10 Jahren gewusst für mein Chalet!

Wenn du dich intensiv mit Materialien auseinandersetzt, gehst du mit einem ganz anderen Blick durch die Welt. Wenn ein Haus abgerissen wird, fragst du dich, was mit dem ganzen Bauschutt passiert. Wenn du siehst, wie sie auf einer Baustelle das Beton-Fundament legen, fragst du dich: Gäbe es nicht auch eine Alternative? Oder diese MDF-Platten, mit denen wir unser Büro kreativ ausgestaltet haben, aus was sind die eigentlich? Oh Gott, alles verleimt, heilige toxische Schweisse! Weshalb haben wir nicht zuerst geschaut, ob es irgendwo in der Stadt übriges Massivholz hat?

Als ich die Ausschreibung für die Geschäftsführung von Material-Archiv sah, dachte ich nur: Yes! Ich wollte schon länger mehr zu den grossen gesellschaftlichen Herausforderungen beitragen. Material-Archiv entstand, als sich zwei Hochschulen, ein Museum und eine Kunstgiesserei zu einem Verein zusammentaten, um Menschen für Materialien zu sensibilisieren und über diese zu informieren. Heute sind es bereits zehn Kultur- und Bildungsinstitutionen mit Materialsammlungen. Jede Sammlung hat einen anderen Schwerpunkt und wird von anderen Menschen betreut. Die einen interessiert vor allem der Naturstein, die anderen die nachwachsenden Materialien. Es ist ein buntes Netzwerk von Expert*innen für Handwerk, Kunstgeschichte, Architektur, Design oder Restaurierung. Material-Archiv richtet sich an Fachpersonen und Student*innen, aber es steht auch allen anderen Menschen offen.

Lange Zeit sind wir davon ausgegangen, dass alles, was nicht Mensch ist, uns zu dienen hat. Aus dieser Hybris kommen wir nur raus, indem wir Beziehungen aufbauen zu allem, was uns umgibt. Indem es uns etwas angeht, wenn Lebewesen sterben, weil wir dieses oder jenes Material benutzen. Wir sind ein Zahnrädchen in einem komplexen System. Da gehören Rücksicht und Demut dazu.

Wir wollen an alten Prinzipien rütteln. Eine Architekturhochschule beispielsweise sollte ihre Studierenden sensibilisieren, dass sie auch mal fragen: «Was gibt es en masse um mich herum? Da mach ich was Schlaues draus.» Du stellst dich der Endlichkeit der Ressourcen und schaffst mit Kreativität und Cleverness etwas ganz Neues.

Student*innen hantieren mit verschiedenen Materialmustern.
Ein Gestell voller verschiedenerer Materialmuster.